Ugah! Ugah!

Das Bundesverfassungsgericht (v. 02.11.2020 – 1 BvR 2727/19) hat sich mit einem besonderen Fall der Meinungsäußerungsfreiheit befasst.

Während einer Betriebsratssitzung betitelte ein Mitglied seinen dunkelhäutigen Kollegen mit den Worten „Ugah, Ugah!“ Der bereits einschlägig Abgemahnte wurde fristlos gekündigt. Er setzte sich gegen die Kündigung in drei Instanzen erfolglos zur Wehr und erhob schließlich Verfassungsbeschwerde.

Er rügte eine Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 GG, durch die Entscheidungen der Arbeitsgerichte. Sie hätten sein Grundrecht gegenüber dem Kündigungsinteresse der Arbeitgeberin nicht abgewogen. Strafrechtlich sei er wegen der Äußerung nicht verurteilt, daher sei die Unschuldsvermutung zu beachten. Außerdem sei die ihm gegenüber getätigte Äußerung „Du Stricher“ sanktionslos geblieben.

Die Verfassungsbeschwerde, so das Bundesverfassungsgericht, sei mangels Entsprechung der Anforderungen aus §§ 23 Abs. 1 S. 2, 92 BVerfGG unzulässig, im übrigen unbegründet.

Zu Recht hätten die Gerichte keine im Normalfall erforderliche umfassende Abwägung zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und der Beeinträchtigung der persönlichen Ehre vorgenommen. Denn ausnahmsweise trete die Meinungsfreiheit zurück, ohne dass es eine Einzelabwägung bedarf:

Bei Äußerungen, die die Menschenwürde anderer antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen.

An diese Ausnahmefälle seien aber jeweils strenge Kriterien anzulegen und ihr Vorliegen sei ausführlich zu begründen.

Diese grundrechtlichen Wertungen hätten die Arbeitsgerichte in ihren Entscheidungen nicht verkannt.

Das Arbeitsgericht stellte darauf ab, dass grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen eine erhebliche Pflichtverletzung seien, die als wichtiger Grund zur Kündigung berechtigten. Die vorliegende Äußerung sei zudem eine grobe, wegen der ethnischen Herkunft diskriminierende Beleidigung, die nach der Beweisaufnahme zwar in einem Wortwechsel, aber nicht selbst in Reaktion auf „Du Stricher“ erfolgte. Die Gesamtwürdigung auch einer wirkungslosen Abmahnung in der Vergangenheit mache die Weiterbeschäftigung angesichts fortgesetzter Beleidigung von Kollegen unzumutbar. Der Arbeitgeber habe eine Fürsorgepflicht, diese vor Diskriminierung zu schützen.

Die zweite Instanz hatte sich dem im Ergebnis angeschlossen. Die Äußerung sei als rassistische Beleidigung schon „für sich“ ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung. Gegenüber einem dunkelhäutigen Kollegen sei sie als Offenbarung eines Rassisten zu verstehen. Auch ausweislich der vorangegangenen Konflikte im Betrieb liege darin keine Entgleisung oder ein Irrtum, sondern wissend und ohne Reue Ausdruck einer Grundhaltung

Die Urteile, so das Bundesverfassungsgericht, legen ausführlich da, warum die Äußerung „Ugah, Ugah!“ gegenüber einem Kollegen dunkler Hautfarbe die Meinungsäußerungsfreiheit ausnahmsweise zurücktreten lasse. Dabei hätten die Gerichte sich im Ergebnis nicht festgelegt, ob es sich hier um eine Schmähkritik, Formalbeleidigung oder Verletzung der Menschenwürde handele.

Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind wohl gleich alle drei Ausnahmetatbestände erfüllt.

Das Arbeitsgericht hatte ausgeführt, dass die Äußerung regelmäßig als grobe, wegen der ethnischen Herkunft diskriminierende Beleidigung aufzufassen sei, was sie verfassungsrechtlich zur Formalbeleidigung macht.

Das Landesarbeitsgericht stellte klar, die konkrete Situation einer Auseinandersetzung im Betriebsrat mit einem dunkelhäutigen Kollegen habe entscheidende Bedeutung dafür, dass hier die Herabwürdigung der Person im Vordergrund stehe, was verfassungsrechtlich als Schmähkritik zu werten wäre.

Das Bundesverfassungsgericht fügte hinzu, dass es sich zudem um eine die Menschenwürde antastende Äußerung handelt: „Das ergibt sich daraus, dass die Menschenwürde entgegen Art. 1 Abs. 1 GG angetastet wird, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird, und damit das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich normierte Recht auf Anerkennung als Gleiche unabhängig von der „Rasse“ verletzt wird.